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Schokolade ohne Ausbeutung – Ghana will faire Kakaopreise durchsetzen

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Benjamin Breitegger
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Justina Bretzel
Candy Sauer

Rohkakao stammt meist aus Ghana und der Elfenbeinküste. Die großen Gewinne macht aber die Schoki-Industrie in Europa und den USA. Seit 2019 kooperieren die westafrikanischen Länder, um bessere Preise zu erzielen. Eine neue Prämie soll die Existenz hunderttausender Kakaofarmen sichern. Auch setzt Top-Exporteur Ghana zunehmend auf heimische Bohnen-Verarbeitung.

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Kakao aus Westafrika: Ghana liefert Rohstoff für die weltweite Schokoladenproduktion

Deutschland liebt Schokolade: Durchschnittlich neun Kilogramm pro Jahr beträgt der deutsche Pro-Kopf-Konsum. Zwar findet die Herstellung meist in Europa und den USA statt, der Rohstoff für unsere Schokolade stammt jedoch größtenteils aus Westafrika.

Ob Vollmilch oder Zartbitter, Hauptsache Schoki. Woher die Kakaobohnen für eine Tafel Schokolade kommen, wissen allerdings die wenigsten Naschkatzen.  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Alfred Nesswetha/Shotshop/picture alliance)
Ob Vollmilch oder Zartbitter, Hauptsache Schoki. Woher die Kakaobohnen für eine Tafel Schokolade kommen, wissen allerdings die wenigsten Naschkatzen.

Mehr als 60 Prozent des weltweit verarbeiteten Kakaos stammen aus Ghana und der benachbarten Elfenbeinküste. Hier herrschen perfekte Klimabedingungen für den Kakaobaum: Nicht zu viel Sonnenschein, aber auch nicht zu viel Regen.

Mehr Anteil am Schoko-Geschäft: Ghana setzt auf eigene Kakao-Verarbeitung

Ganz schön anspruchsvoll: Der Kakaobaum (Theobroma cacao) trägt zwar das ganze Jahr über Blüten und Früchte, allerdings nur bei ganz bestimmten Wetterbedingungen. Und in Ghanas Eastern Region sind sie perfekt. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Zoonar | Uwe Bauch)
Ganz schön anspruchsvoll: Der Kakaobaum (Theobroma cacao) trägt zwar das ganze Jahr über Blüten und Früchte, allerdings nur bei ganz bestimmten Wetterbedingungen. Und in Ghanas Eastern Region sind sie perfekt.

Afrika exportiert Rohstoffe, Europa verarbeitet sie – und schöpft Gewinne in Milliardenhöhe ab. So läuft es seit der Kolonialzeit. Dass Ghana damit endlich Schluss machen will, verdeutlicht eine Rede des ghanaischen Präsidenten Nana Akufo-Addo aus dem Jahr 2020, gerichtet an die globale Kakaoindustrie:

"Wir beabsichtigen, immer mehr Kakao im eigenen Land zu verarbeiten und mehr Schokolade zu produzieren. Wir sind der Meinung, dass es weder kurz- noch mittel- oder langfristig Wohlstand für die ghanaische Bevölkerung geben kann, wenn wir weiterhin wirtschaftliche Strukturen aufrechterhalten, die von der Produktion und dem Export von Rohstoffen abhängig sind."

Das deutsch-ghanaische Unternehmen Fairafric etwa kauft die Bohnen von Bauern aus der Umgebung, zahlt hohe Prämien und produziert mit ghanaischen Mitarbeitern Bio-Schokolade, größtenteils für den deutschen Markt.

Das deutsch-ghanaische Unternehmen Fairafric stellt seine Schokolade seit Kurzem komplett in Ghana her (Foto: SWR, Benjamin Breitegger)
Das deutsch-ghanaische Unternehmen Fairafric stellt seine Schokolade seit Kurzem komplett in Ghana her

Ghana reguliert streng: staatliches Kakao-Monopol und Fixpreise für die Bauern

Um sich auf dem Weltmarkt besser behaupten zu können, behält die ghanaische Regierung das Monopol für Kakao. Das weiß Sophie van Huellen, Entwicklungsökonomin an der Universität Manchester in Großbritannien.

Deshalb dürfen Bauern ihre Rohbohnen gar nicht selbst an internationale Unternehmen weiterverkaufen, sondern ausschließlich an die staatliche Behörde Cocobod. Sie erhalten dann einen Fixpreis pro Kilogramm, erklärt Sophie van Huellen. Dieser ist abhängig von den Verträgen, die die Regierung am Weltmarkt abschließt. Er steht in der Zeitung, wird im Radio verkündet, weitererzählt. Das schafft Sicherheit. Jeder Kakaobauer in Ghana erhält diesen garantierten Preis. Auch Bauern von fairtrade-zertifizierten Kooperativen.

Corona-Krise und Inflation treffen kleine Kakao-Plantagen hart

Die Kosten für die Preis-Feilscherei tragen die Kakao-Farmer: Vom Preis einer 100-Gramm-Tafel Schokalade landen bisher weniger als zehn Prozent bei den Kakaoproduzenten. Hinzu kommt Ghanas schlechte Wirtschaftslage: Die Inflation liegt auf einem 20-Jahres-Hoch und frisst jeden potenziellen Gewinn auf. Benzin, Pestizide und Lebensmittel kosten mindestens 50 Prozent mehr als noch vor einem Jahr.

Um die Kakao-Preise nachhaltig zu erhöhen, trafen sowohl Ghana als auch die Elfenbeinküste bereits 2019 eine gemeinsame Entscheidung: Zusätzlich zur bereits länger bestehenden Qualitätsprämie führten sie das "Living Income Differential" ein, übersetzt in etwa: Differenz zu einem existenzsichernden Einkommen. Dabei handelt es sich um 400 US-Dollar zusätzlich pro Tonne Kakao. Die sollen garantieren, dass Hunderttausende Kakaobauern und -bäuerinnen von ihrer Arbeit leben können. Diese zweite Prämie war eine Ansage an die globalen Schokoladen-Konzerne: Zahlt mehr für unseren Kakao!

Nach der Ernte müssen die rohen Kakaobohnen vom Fruchtfleisch befreit und dann ausreichend getrocknet werden. Erst dann können sie zu Schokolade weiterverarbeitet werden. Trotz der vielen Arbeit kämpfen viele Kakaofarmen um ihr Überleben. Eine zweite Prämie soll das ändern. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / Photononstop | Daniel Riffet)
Nach der Ernte müssen die rohen Kakaobohnen vom Fruchtfleisch befreit und dann ausreichend getrocknet werden. Erst dann können sie zu Schokolade weiterverarbeitet werden. Trotz der vielen Arbeit kämpfen viele Kakaofarmen um ihr Überleben. Eine zweite Prämie soll das ändern.

Kurz darauf kam allerdings Corona – und damit kamen Wirtschaftskrise und Marktunsicherheit. Die Verträge zwischen globalen Konzernen und Kakaobehörden wurden neu verhandelt – wieder zum Nachteil der afrikanischen Kleinbetriebe.

Auf der Kakaofarm von Joseph Batsa brechen Arbeiter die geernteten Schoten von Hand auf. Sie entfernen die schleimigen Bohnen und häufen sie auf große Blätter. Dort fermentieren die Bohnen eine Woche lang. Danach müssen sie trocknen. Batsa ist glücklich, dass er und seine Familie von der Arbeit gut leben können. Fairafric kauft einen Teil der Bohnen seiner Kooperative.  (Foto: SWR, Benjamin Breitegger)
Auf der Kakaofarm von Joseph Batsa brechen Arbeiter die geernteten Schoten von Hand auf. Sie entfernen die schleimigen Bohnen und häufen sie auf große Blätter. Dort fermentieren die Bohnen eine Woche lang. Danach müssen sie trocknen. Batsa ist glücklich, dass er und seine Familie von der Arbeit gut leben können. Fairafric kauft einen Teil der Bohnen seiner Kooperative.

Soziales Bewusstsein nimmt zu: Hält das Fair-Trade-Label, was es verspricht?

Dabei wären viele bereit, mehr Geld für eine Tafel Schokolade zu bezahlen: Denn nicht nur die ökologische Nachhaltigkeit spielt auf Verbraucherseite eine immer größere Rolle. Auch das Bewusstsein für faire Produktionsbedingungen und gerechte Löhne nimmt zu. Beim Einkauf greifen daher immer mehr Leute zu Marken mit Fair-Trade-Zertifizierung auf der Verpackung.

Was vielen Käuferinnen und Käufern in Europa allerdings nicht bewusst ist: Bauern von Fair-Trade-zertifizierten Kooperativen erhalten zwar oft eine zusätzliche Prämie, jedoch erst im Nachhinein, wenn klar ist, wie viel Prozent des Fair-Trade-Kakaos auch zu Fair-Trade-Bedingungen verkauft werden konnten. In Ghana waren das in der Saison 2020/21 nur 20 Prozent. Denn das Angebot ist größer als die Nachfrage nach Fair Trade.

Naschen mit gutem Gewissen? Soziale Verantwortung wird vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern zunehmend wichtig. Das Fair-Trade-Label dient beim Einkauf als Orientierung. Leider garantieren auch diese Produkte nicht immer faire Löhne, da zusätzliche Fair-Trade-Prämien erst im Nachhinein ausbezahlt werden. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)
Naschen mit gutem Gewissen? Soziale Verantwortung wird vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern zunehmend wichtig. Das Fair-Trade-Label dient beim Einkauf als Orientierung. Leider garantieren auch diese Produkte nicht immer faire Löhne, da zusätzliche Fair-Trade-Prämien erst im Nachhinein ausbezahlt werden.

Seit 2023: Deutsches Lieferkettengesetz gegen Ausbeutung von Mensch und Natur

Allerdings scheinen mehr und mehr internationale Handelspartner zu erkennen, dass auch sie soziale Verantwortung tragen. So gilt in Deutschland seit Januar 2023 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), kurz Lieferkettengesetz.

Es zielt darauf ab, dass an jeder Stelle in der Lieferkette die Einhaltung der Menschenrechte sichergestellt werden muss. Beispielsweise durch faire Löhne und ein striktes Verbot von Kinderarbeit. Auch der Umweltschutz ist im Gesetz explizit verankert.

Schokoladengenuss ohne Ausbeutung könnte also möglich werden – wenn das Zusammenspiel aus Mindestlohnprämien der Erzeugerländer und neuen Lieferkettengesetzen in Europa gelingt.

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Soziale und ökologische Standards sollen auch in den Herstellerländern gelten. Deshalb nimmt das Lieferkettengesetz die Unternehmen in die Pflicht. Sie sollen diese Standards kontrollieren.

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