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Zirkel und Lineal – Wie der Mensch die Welt mit Mathematik erobert

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Albrecht Beutelspacher
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Ralf Caspary
Ralf Caspary (Foto: SWR)
Susanne Paluch

Als der Mensch sesshaft wurde und in Gemeinschaften lebte, waren mathematische Kenntnisse gefragt. Denn er musste ganz praktische Fragen lösen wie "Wie groß ist mein Grundstück, wie groß mein Acker, wie weit wohnt mein Nachbar entfernt?" Er entwickelte dazu zwei Werkzeuge: Zirkel und Lineal.

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Zusammenfassung

Schon als die Menschen sesshaft wurden, haben sie eine Art von Linealen in Form von Stöcken verwendet, die sie aus Ästen herstellten. Denn zunächst mussten Strecken abgemessen werden.

Um genau messen zu können, vor allem um Bruchteile der Stocklänge genau messen zu können, ist ein gerader Stock empfehlenswert. Damit war das Lineal geboren.

Das zweite grundlegende Instrument ist der Zirkel. Dabei geht es um Bewegung. Wenn man ein Seil an einem Pflock befestigt, das Seil spannt und das andere Ende des Seils bewegt, dann erhält man eine Kreislinie.

Von dieser Erfahrung ist es – zumindest gedanklich – nicht mehr weit zur Erfindung des Zirkels.   

Das sind die praktischen Werkzeuge, die die Menschen vermutlich in allen Teilen der Welt nutzten, um praktische Aufgaben zu lösen. Diese Werkezuge revolutionierten die mathematische Erschließung der Welt:

Die Zahl Pi

Ich nenne nur einen spektakulären Erfolg des Programms „Zirkel und Lineal“, nämlich die Berechnung der Kreiszahl Pi durch Archimedes (3. Jh. v. Chr.).

Die Zahl Pi hat die Menschen seit Jahrtausenden in den Bann gezogen. Man braucht sie, um den Umfang eines Kreises auszurechnen. Wenn man den Durchmesser kennt, muss man diesen mit der Zahl Pi multiplizieren und erhält den Umfang. Anders gesagt: Pi ist das Verhältnis von Umfang zu Durchmesser.

Sie alle wissen, dass Pi gleich 3,14 ist. Ungefähr. Aber auch schon dieses ungefähre Ergebnis ist nicht ganz einfach zu erhalten.

Archimedes grübelt (Foto: IMAGO, imago/UIG)
Archimedes grübelt, wie sich die Quadratur des Kreises lösen ließe. Es geht darum, aus einem Kreis in einer bestimmten Anzahl von Schritten ein Quadrat mit dem gleichen Fläscheninhalt zu konstruieren. Ein letztendlich unlösbares Problem.

Die erste echte Berechnung geht auf Archimedes zurück. Wie hat er das gemacht? 

Er zeichnete in den Kreis mit dem Lineal ein Sechseck. Das hat natürlich einen kleineren Umfang als der Kreis – aber den konnte Archimedes berechnen. Als nächstes betrachtete er ein Zwölfeck im Kreis, von dem er auch den Umfang berechnen konnte.

So schritt er fort bis zum 96-Eck und hat so die Näherung 22/7 für Pi erschlossen, die dem Wert 3,142 entspricht. Damit hat Archimedes Pi auf ein Promille genau bestimmt.

Mit der Zirkel-und-Lineal-Geometrie errangen die griechischen Mathematiker Sieg auf Sieg. Alles, was man sich vorstellen konnte, wurde gelöst.

Die Grenzen von Zirkel und Lineal

Die Frage, wie sich die Quadratur des Kreises mit Zirkel und Lineal berechnen ließe, trat in der Antike auf. Sie konnte jedoch nicht beantwortet werden, weder im europäischen Mittelalter noch von der islamischen Mathematik oder von Genies wie Newton und Leibniz. Das Problem wurde erst im Jahre 1882 gelöst:

Die Antwort lautet: Es geht nicht. Hier kommen Zirkel und Lineal an ihre Grenzen. Man kann – mit Zirkel und Lineal alleine – keinen Kreis in ein flächengleiches Quadrat verwandeln.

Albrecht Beutelspacher ist Mathematiker und Initiator des Mathematikums in Gießen.

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